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Samstag, 27. September 2014

Woche 2 an der Uni

Mal ein neuer Blogeintrag mit einem Abstand von weniger als einer Woche, yay :-D



Woche 22.09. - 27.09.2014



Rüffel von Frau Rong ;-)

Frau Rong, die ich und ihr schon damals beim ersten Essen bei Frau Lai kennengelernt habt, hatte uns am Montag zum Mittagessen eingeladen. Mit dabei waren auch Herr Gao, ein ehemaliger Lehrer aus dem KI, Frau You, und natürlich Frau Drinhausen. Wir gingen in eines der teureren Restaurants auf dem Campus, wo man seine Gäste hinführt, wenn man ihnen zeigen will, dass man sie schätzt. An einem großen runden Tisch, an den locker noch drei vier Leute gpasst hätten, nahmen wir Platz. Thomas und ich durften uns, wie so oft, vegetarische Gerichte aussuchen. Wie schon beim letzten Mal, als wir in diesem Restaurant mit Frau Drinhausen waren, fiel die Auswahl schwer, da fast alles Fleisch enthielt. Ein paar Sachen hatten wir dann aber doch gefunden und konnten auch noch einige Sachen ohne Fleisch machen lassen. Wir erzählten ein bisschen über Deutschland und das Leben in Leipzig und Arbeiten am KI. Frau Rong kam ein wenig späterdann darauf zu sprechen, dass ihr unsere Klassenlehrerin gesagt hätte, dass wir beide im Unterricht 不太爱说话 bútài ài shuōhuà, also nicht sehr viel sprechen würden und wir doch bitte ein wenig mehr reden sollten – doof, wenn Frau Rong unserer Klassenlehrerin im Büro direkt gegenüber sitzt :-D Frau Drinhausen meinte dann aber zu unserer Rettung, dass im Unterricht auch wenig Möglichkeiten zum Reden bestehen, was ich vehement bekräftigte. Sie hatte bereits in einigen Chinesischstunden verschiedener Niveaus hospitiert und war ähnlich wie wir nicht überzeugt... Vor allem im Fach „Umgangssprache“ finde ich es besonders schade, dass wir bis jetzt kaum frei sprechen sondern vielmehr Sätze nachsprechen oder einfache Dialoge mit unserem Nachbarn ablesen müssen. Im Sinne der Harmonie, die in China hoch gehalten wird, endete diese Konversation natürlich nicht im Streit sondern in der von Frau Rong formulierten Tatsache, dass sich chinesische und deutsche Unterrichtsmethoden einfach unterscheiden und jede Methode Vor- und Nachteile hat. Das Essen, was sicher mehr als 400 Yuan kostete, wurde von Frau You bezahlt, die sich irgendwann auf zur Theke machte und die Schuld beglich, ohne großes Aufsehen zu machen, wie üblich. Am Ende betonten Frau Rong und Frau You aber nochmals, dass wir nicht zögern sollten, wenn wir mit irgendwas Probleme hätten, zu Ihnen zu kommen. Mal sehen, wozu wir diese Beziehungen noch brauchen werden.



Die UN in einer Person ;-)

Zu Abend aß ich mit Anna, ihrer Zimmernachbarin Zhang Ling und zwei Malaysiern, mit denen ich gerne Badminton spielen möchte und die offensichtlich nicht so superprofessionell sind, wie die Leute in dem Badmintonverein. Später kamen dann noch eine Freundin Zhang Lings und deren Freund dazu. Was ich bei Anderson, dem Freund der Freundin, interessant fand, war, dass er chinesisch / asiatisch aussieht, aber in Chile geboren wurde. Seine Eltern kommen aus Guangdong und sind damals nach Chile gegangen, um dort ein Geschäft zu eröffnen. Dass heißt, er ist dort aufgewachsen, seine Muttersprache ist Spanisch. Da ich kein Spanisch kann und er beim Chinesischlernen noch ganz am Anfang ist, unterhielten wir uns auf Englisch. Sein Englisch klingt sehr amerikanisch, da er zwei Jahre in New York verbracht hat. Anderson hat also chinesische Eltern, sieht chinesisch aus, ist in Chile aufgewachsen, seine Muttersprache ist Spanisch, er kann nur sehr wenig Chinesisch und sein Englisch klingt zu 100% amerikanisch. Und seine Freundin sieht ebenfalls Chinesisch aus, ist aber in Brasilien aufgewachsen, demzufolge ihre Muttersprache Brasilianisch ist und sie auch erst in China angefangen hat, Chinesisch zu lernen. Ich finde es interessant, wie ungewöhnlich mir diese Kombination erscheint, zeigt sie doch, wie sehr man oder zumindest ich die tradierten Rollenbilder verinnerlicht habe, so dass es den ganzen Abend permanent in meinem Kopf gerattert hat, um Andersons Erscheinung, seinen Hintergrund und sein Englisch wieder zu der Person zusammenzufügen, die da neben mir saß. Wieder ein schönes Beispiel dafür, dass nichts ist, wie es scheint und die Welt weitaus komplizierter ist, als manche Schwarz-Weiß-Verfechter jemals zu glauben wagen würden.



Geschäfte machen im Kaufhaus

Am Mittwoch fuhr ich mit Thomas nach 西单 xīdān, einem Einkaufsgebiet mit vielen großen Einkaufszentren. Thomas brauchte etwas schickere Klamotten, da er am Samstag gemeinsam mit Anna zu einer Veranstaltung von Hanban, der Organisation, von denen die beiden ein Stipendium haben, zu gehen hatte. Nachdem wir nach längerem Suchen endlich was gefunden hatten, schlenderten wir dann noch so ein bisschen durch ein Einkaufszentrum, als wir plötzlich unseren Augen nicht mehr trauten: an einer Ecke hockte doch tatsächlich eine Mutter auf dem Boden, neben ihr hockte ihr 5-6 jähriger Sohn und entleerte sich über einem normal Papiertaschentuch, was auf auf dem Boden unter ihm ausgebreitet war, der flüssige Teil bahnte sich seinen Weg vor das Taschentuch, also auf den Boden. Das kleine Kinder hier mit einem Schlitz in der Hose umherlaufen (开裆裤 kāidāngkù, Schlitzhose) ist für mich nichts Neues. Dass ihre Eltern sie aufgrund dieser praktischen Aussparung im hinteren Teil der Beinkleider manchmal auch einfach über einen Mülleimer halten, damit sie sich erleichtern können, ist mir ebenso bekannt. Ich finde das nicht einmal besonders schlimm (in Deutschland natürlich undenkbar, wie so vieles..). Dass man sein Kind aber in einem Kaufhaus auf ein Taschentuch sch***** und auf den Boden pi**** lässt, find' ich grenzwertig. Zumal sich das ganze in unmittelbarer Nähe zu dem Wegweiser vollzog, die zu den Toiletten führten. Und ich bin mir relativ sicher, dass die junge Mutter die Pfütze nicht einmal aufgewischt hat und das dann wieder irgendeine unterbezahlte Servicekraft machen durfte . . . Diesem schlechten Beispiel nicht folgend, suchten Thomas und ich dann die Toiletten auf. Aus den Lautsprechern davor und auch in dem gesamten Kaufhausabschnitt liefen christliche Lieder. Auf Deutsch. In all ihrer Schönheit und … nein, ernsthaft. Das war schon weit über der Schmerzgrenze, sowohl vom Inhalt her, als auch vom Musikalischen. In sofern aber verständlich, als dass die ganze Atmosphäre dieser Lieder verblüffend gut die Atmosphäre widerspiegelt, die sich auch in 99% der populären chinesischen Musik wiederfindet: übertriebene Liebe für irgendwas (meistens für Geliebte oder das Vaterland) oder übertriebener, getragener Pathos bezüglich positiver oder negativer Dinge. Das gefällt mir persönlich überhaupt nicht, weswegen ich mich vermutlich nie wirklich mit chinesischer Gegenwartspopulärmusik anfreunden werde.



Glücklich der, der ein Fahrrad hat

Am Donnerstag gab es in der Mensa nebenan zum Mittag 陕西凉皮 shǎnxī liángpí, kalte Nudeln aus der Provinz Shaanxi, relativ breite Nudeln, kalt angerichtet in einer Sesamsoße (?), mir Gurken und
Lecker Nudeln!
Möhrenstreifen, etwas Tofu und ein bisschen scharfer Soße. Klingt nach einer eigenartigen Kombination, aber es schmeckt verdammt lecker und kostet auch nur 6 Yuan. Danach machten wir uns zu dritt auf in den Norden zur 清华大学 qīnghuá dàxué, eine der universitären Kaderschmieden der Hauptstadt. Ein Cousin von Anna studiert schon einige Jahre an der Uni und kennt in der Umgebung einige Fahrradhändler. An dem Laden angekommen verguckten wir uns dann auch gleich in ein kleines schwarzes Fahrrad, ohne Gangschaltung, mit zu tiefem Sattel, aber mit Gepäckträger und Möglichkeit zum Anbringen eines Korbes. Und mit einer Klingel. Das ganze für je 200 Yuan. Thomas und ich schlugen zu, Anna hatte sich schon vor mehreren Tagen ein Rad zugelegt. Und dann ging es auf unseren Drahteseln zurück zur Renda – Anna fuhr vor uns mit ihrem Cousin auf dem Elektroroller her. Unsere Teilnahme am chinesischen Straßenverkehr ließ mich mich wieder mal ein ganzes Stück weniger fremd und mehr dazugehörig fühlen. Endlich mal nicht mehr das schwächste Glied im Gewirr aus verletzlichen Fußgängern, Kamikazetaxis, oder Bulldozerbussen. Naja, das zweitschwächste Glied zwar immernoch, aber immerhin jetzt mit Klingel und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13 km/h. Schön war es, wenn auch sicher noch weitaus gefährlicher, als als Fußgänger. Nächste Anschaffung: ein Fahrradkorb, eine LAUTERE Klingel und wenn möglich ein längeres Sattelrohr, andernfalls geht das Gefahre ganz schön in die Knie.

Praktisch ist das Rad auch für den Campus, denn sind die Wege zwar verhältnismäßig kurz, macht Radfahren dennoch einfach mehr Spaß, ist gesünder (man ist nicht so lange der schlechten Luft ausgesetzt … ;-) und geht schneller. 


Bin ich schon so sinisiert?

Kurz vor der Uni hielten wir nochmal an, Anna und ich mussten Geld abheben. Vor uns in der Reihe stand eine recht klein gewachsene, mittelalte Frau in einem rosa Flauschpulli, einem Handy in der einen und einem 100 Yuan Schein in der anderen Hand. Als sie an der Reihe war, klickte sie zunächst ein wenig auf dem Automaten herum, las von ihrem Handy lange Zahlen ab, die sie in das Nummernfeld auf dem Automaten eingab. Was auch immer sie machen wollte, es funktionierte nicht. So fragte sie eine in der Nähe stehende Angestellte der Bank of China, wie das denn nun funktioniere. Diese sagte ihr irgendwas, dann kam sie zurück an den Automaten und versuchte es erneut. Währenddessen drehte sie sich zu mir um und fing an, mich auf Chinesisch zu fragen, ob ich denn wüsste, was sie jetzt drücken müsste und wo sie was eingeben sollte um 汇款 huìkuǎn zu machen... ich wusste zunächst nicht, was huìkuǎn sein sollte, aber da sie einen 100 Yuan-Schein in der Hand hielt, war das naheliegendste, dass sie das Geld einzahlen wollte. Ich konnte ihr auch nicht wirklich helfen, versuchte dennoch, die Angaben auf dem Display zu verstehen. Am Ende klappte es doch irgendwie und die Frau wurde angewiesen, ihren Schein in die Maschine zu stecken. Wo sie das tun sollte, wusste sie auch nicht, das konnte ich ihr aber gerade noch zeigen. Was ich an dieser vielleicht eigentlich nicht so spannenden Geschichte schön und auch ein wenig verwunderlich finde, ist, dass die Frau offensichtlich keinen Moment daran zweifelte, dass ich, der augenscheinliche Ausländer, sie verstehen würde und wüsste, wie sie das Geld einzahlen sollte. Mit keiner Silbe lobte sie mein Chinesisch oder fragte mich, woher ich denn käme. Sie ging ganz normal mit mir um, unterstellte mir nicht, dass ich ja eh kein Chinesisch könne und kein Chinese bin und ihr somit wohl eh nicht helfen könne. Nachdem ich ihr geholfen hatte, bedankte sie sich freudig strahlend, auch, als wir draußen an ihr vorbei gingen, sagte sie noch einmal ganz freundlich 谢谢 xièxiè. Etwas besonderes zu sein ist manchmal schön, aber eigentlich ist es viel schöner, wenn man einfach nur als Mensch, als einer von vielen angesehen wird und einem nicht aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes und der vermutlichen ausländischen Herkunft mit einhergehender Muttersprache irgendetwas, sei es positiv oder negativ, unterstellt wird.


Auf dem Campus angekommen kauften wir uns dann noch ein Schloss für 15 Yuan, schlagendes Verkaufsargument war dabei die angepriesene „High Quakity“. 

Quakität statt Quantität.
(zugegeben, dass K ist auf der Tastatur dem L sehr nah.
Trotzdem lustig :-D



Abschied von Frau Drinhausen

Am Freitagmorgen verabschiedeten wir Frau Drinhausen, die mittlerweile wieder in Deutschland ist. Es war eine sehr sehr lustige Zeit mit Ihnen und danke, dass Sie uns Ihre Tochter vorgestellt haben! Bis nächstes Jahr in Leipzig! ! !



Dies und Das

Nach dem Unterricht waren wir drei mit zwei Freundinnen essen, Yan aus Boston und Hyun Su (?) aus Kanada, mit koreanischen Wurzeln. Wir entdeckten eine neue Kantine am Osttor mit einer begeisternden großen Auswahl an vegetarischen Gerichten zu guten Preisen. Danach gönnten wir und noch frisch gepressten Saft, setzten uns vor unser Wohnheim und quatschten. Später bin ich dann nochmal in die Kunstfakultät der Uni gegangen, mit dem Ziel, eine Möglichkeit zu finden, Klavier zu spielen. Ich fand dann auch bald ganz viele Überäume, die meisten tatsächlich mit einem Klavier ausgestattet. Ein Student erzählte mir auf Nachfrage, dass sich meist mehrere Studenten einen Raum teilen, jeder hat einen Schlüssel. Wenn ich Leute finden würde, die ihren Raum mit mir teilen, könnte ich dort üben. Die Frau im Supervision-Raum meinte jedoch, dass sie Leute von außen, also nicht zum Institut zugehörige, nicht spielen lassen würden. Das wollen wir ja mal sehen. Irgendwie gibt es da schon einen Weg ;-)

Zum Abendessen hatte ich mich mit Xian Ying und Xiao Bin, zwei koreanischen Studentinnen aus meinem Kurs, zum Essen verabredet. Wir gingen in ein 麻辣烫 málàtàng Restaurant, ein Restaurant für scharfes chinesisches Fondue. Dort kann man sich am Eingang eine große Plasteschüssel nehmen, in welche man so viele Zutaten packt, wie man möchte. Tofu, Kohl,
麻辣烫
Nudeln, Fisch, Fleisch, Eier, Brokkoli, Surimi, Reiskuchen und so weiter und so fort. Das alles wird dann an der Kasse gewogen, man bezahlt und einige Minuten später kann man sein fertiges Fondue abholen. Wie der Name schon sagt, ist dieses recht scharf, für mich gerade noch akzeptabel. Die chinesischen Küchen kennen verschiedene Schärfegrade, die alle das Gefühl der Schärfe im Mund beschreiben. 麻辣 málà steht dabei für „betäubend scharf“, und das merkt man.Ich merke es immer besonders auf den Lippen, die sich tatsächlich betäubt anfühlen oder so, wie wenn sie eingeschlafen werden (so, wie wenn einem der Fuß einschläft). Während des Essens unterhielten wir uns die ganze Zeit auf Chinesisch, viele über Korea, über unsere Klasse, über China, über mich und die beiden. Ein sehr schöner Abend und zwei sehr sympathische Leute. Und auch cool, dass wir wirklich fast ausschließlich auf Chinesisch gesprochen haben, wenn wir auch gelegentlich ins Englische wechselten, wenn uns mal die Worte fehlten. 

Da geht aber noch was!
Wer die Sonne entdeckt, darf
sich ein Eis kaufen.


"我的奋斗" - 'Mein Kampf' auf Chinesisch, heute
gesehen auf einem Bücherflohmarkt auf dem Campus.
Trägt sicher nicht dazu bei, dass haarsträubend verzerrte
Hitlerimage in China entzerren.




Nächste Woche am 1. Oktober ist Nationalfeiertag und die landesweiten Ferien beginnen, auch die goldene Woche genannt. Während sich ganz China auf Reisen begibt (man hat nur selten 7 Tage in Folge frei, da nutzen das wirklich alle aus), müssen wir hier in Peking bleiben, denn unser Pass ist immer noch bei der Polizeistation, darüber hatte ich euch ja schon erzählt. So werden wir also die goldene Woche in Peking verbringen. Das ist einerseits doof, weil es auch für uns eine der seltenen Gelegenheiten zum Reisen gewesen wäre. Andererseits hat uns Weilin schon eine Freundin von ihm vermittelt, die uns im Laufe der Ferienwoche in einem buddhistischen Tempel herumführen wird (mit besonderer Expertise, ist sie doch selbst praktizierende Buddhistin). Zudem können wir dann auch den 65. Jahrestag der Volksrepublik China hautnah miterleben. Der Plan ist bis jetzt, am 1. Oktober in aller früh auf den Tian'anmen zu fahren, um dort dem Hissen der Nationalflagge und der anderen Dinge, die da eventuell passieren werden, beizuwohnen. Ob sich unser Plan so einfach in die Tat umsetzen lassen wird, steht noch aus. Wenn das nichts wird oder wird in einem Meer aus Schwarz völlig verloren gehen, haben wir immer noch das Feuerwerk, welches, so sagt man, mehrere Stunden andauern kann. Da bin ich ja mal gespannt . . .



Bis dahin



Euer Philipp
























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