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Samstag, 27. September 2014

Woche 2 an der Uni

Mal ein neuer Blogeintrag mit einem Abstand von weniger als einer Woche, yay :-D



Woche 22.09. - 27.09.2014



Rüffel von Frau Rong ;-)

Frau Rong, die ich und ihr schon damals beim ersten Essen bei Frau Lai kennengelernt habt, hatte uns am Montag zum Mittagessen eingeladen. Mit dabei waren auch Herr Gao, ein ehemaliger Lehrer aus dem KI, Frau You, und natürlich Frau Drinhausen. Wir gingen in eines der teureren Restaurants auf dem Campus, wo man seine Gäste hinführt, wenn man ihnen zeigen will, dass man sie schätzt. An einem großen runden Tisch, an den locker noch drei vier Leute gpasst hätten, nahmen wir Platz. Thomas und ich durften uns, wie so oft, vegetarische Gerichte aussuchen. Wie schon beim letzten Mal, als wir in diesem Restaurant mit Frau Drinhausen waren, fiel die Auswahl schwer, da fast alles Fleisch enthielt. Ein paar Sachen hatten wir dann aber doch gefunden und konnten auch noch einige Sachen ohne Fleisch machen lassen. Wir erzählten ein bisschen über Deutschland und das Leben in Leipzig und Arbeiten am KI. Frau Rong kam ein wenig späterdann darauf zu sprechen, dass ihr unsere Klassenlehrerin gesagt hätte, dass wir beide im Unterricht 不太爱说话 bútài ài shuōhuà, also nicht sehr viel sprechen würden und wir doch bitte ein wenig mehr reden sollten – doof, wenn Frau Rong unserer Klassenlehrerin im Büro direkt gegenüber sitzt :-D Frau Drinhausen meinte dann aber zu unserer Rettung, dass im Unterricht auch wenig Möglichkeiten zum Reden bestehen, was ich vehement bekräftigte. Sie hatte bereits in einigen Chinesischstunden verschiedener Niveaus hospitiert und war ähnlich wie wir nicht überzeugt... Vor allem im Fach „Umgangssprache“ finde ich es besonders schade, dass wir bis jetzt kaum frei sprechen sondern vielmehr Sätze nachsprechen oder einfache Dialoge mit unserem Nachbarn ablesen müssen. Im Sinne der Harmonie, die in China hoch gehalten wird, endete diese Konversation natürlich nicht im Streit sondern in der von Frau Rong formulierten Tatsache, dass sich chinesische und deutsche Unterrichtsmethoden einfach unterscheiden und jede Methode Vor- und Nachteile hat. Das Essen, was sicher mehr als 400 Yuan kostete, wurde von Frau You bezahlt, die sich irgendwann auf zur Theke machte und die Schuld beglich, ohne großes Aufsehen zu machen, wie üblich. Am Ende betonten Frau Rong und Frau You aber nochmals, dass wir nicht zögern sollten, wenn wir mit irgendwas Probleme hätten, zu Ihnen zu kommen. Mal sehen, wozu wir diese Beziehungen noch brauchen werden.



Die UN in einer Person ;-)

Zu Abend aß ich mit Anna, ihrer Zimmernachbarin Zhang Ling und zwei Malaysiern, mit denen ich gerne Badminton spielen möchte und die offensichtlich nicht so superprofessionell sind, wie die Leute in dem Badmintonverein. Später kamen dann noch eine Freundin Zhang Lings und deren Freund dazu. Was ich bei Anderson, dem Freund der Freundin, interessant fand, war, dass er chinesisch / asiatisch aussieht, aber in Chile geboren wurde. Seine Eltern kommen aus Guangdong und sind damals nach Chile gegangen, um dort ein Geschäft zu eröffnen. Dass heißt, er ist dort aufgewachsen, seine Muttersprache ist Spanisch. Da ich kein Spanisch kann und er beim Chinesischlernen noch ganz am Anfang ist, unterhielten wir uns auf Englisch. Sein Englisch klingt sehr amerikanisch, da er zwei Jahre in New York verbracht hat. Anderson hat also chinesische Eltern, sieht chinesisch aus, ist in Chile aufgewachsen, seine Muttersprache ist Spanisch, er kann nur sehr wenig Chinesisch und sein Englisch klingt zu 100% amerikanisch. Und seine Freundin sieht ebenfalls Chinesisch aus, ist aber in Brasilien aufgewachsen, demzufolge ihre Muttersprache Brasilianisch ist und sie auch erst in China angefangen hat, Chinesisch zu lernen. Ich finde es interessant, wie ungewöhnlich mir diese Kombination erscheint, zeigt sie doch, wie sehr man oder zumindest ich die tradierten Rollenbilder verinnerlicht habe, so dass es den ganzen Abend permanent in meinem Kopf gerattert hat, um Andersons Erscheinung, seinen Hintergrund und sein Englisch wieder zu der Person zusammenzufügen, die da neben mir saß. Wieder ein schönes Beispiel dafür, dass nichts ist, wie es scheint und die Welt weitaus komplizierter ist, als manche Schwarz-Weiß-Verfechter jemals zu glauben wagen würden.



Geschäfte machen im Kaufhaus

Am Mittwoch fuhr ich mit Thomas nach 西单 xīdān, einem Einkaufsgebiet mit vielen großen Einkaufszentren. Thomas brauchte etwas schickere Klamotten, da er am Samstag gemeinsam mit Anna zu einer Veranstaltung von Hanban, der Organisation, von denen die beiden ein Stipendium haben, zu gehen hatte. Nachdem wir nach längerem Suchen endlich was gefunden hatten, schlenderten wir dann noch so ein bisschen durch ein Einkaufszentrum, als wir plötzlich unseren Augen nicht mehr trauten: an einer Ecke hockte doch tatsächlich eine Mutter auf dem Boden, neben ihr hockte ihr 5-6 jähriger Sohn und entleerte sich über einem normal Papiertaschentuch, was auf auf dem Boden unter ihm ausgebreitet war, der flüssige Teil bahnte sich seinen Weg vor das Taschentuch, also auf den Boden. Das kleine Kinder hier mit einem Schlitz in der Hose umherlaufen (开裆裤 kāidāngkù, Schlitzhose) ist für mich nichts Neues. Dass ihre Eltern sie aufgrund dieser praktischen Aussparung im hinteren Teil der Beinkleider manchmal auch einfach über einen Mülleimer halten, damit sie sich erleichtern können, ist mir ebenso bekannt. Ich finde das nicht einmal besonders schlimm (in Deutschland natürlich undenkbar, wie so vieles..). Dass man sein Kind aber in einem Kaufhaus auf ein Taschentuch sch***** und auf den Boden pi**** lässt, find' ich grenzwertig. Zumal sich das ganze in unmittelbarer Nähe zu dem Wegweiser vollzog, die zu den Toiletten führten. Und ich bin mir relativ sicher, dass die junge Mutter die Pfütze nicht einmal aufgewischt hat und das dann wieder irgendeine unterbezahlte Servicekraft machen durfte . . . Diesem schlechten Beispiel nicht folgend, suchten Thomas und ich dann die Toiletten auf. Aus den Lautsprechern davor und auch in dem gesamten Kaufhausabschnitt liefen christliche Lieder. Auf Deutsch. In all ihrer Schönheit und … nein, ernsthaft. Das war schon weit über der Schmerzgrenze, sowohl vom Inhalt her, als auch vom Musikalischen. In sofern aber verständlich, als dass die ganze Atmosphäre dieser Lieder verblüffend gut die Atmosphäre widerspiegelt, die sich auch in 99% der populären chinesischen Musik wiederfindet: übertriebene Liebe für irgendwas (meistens für Geliebte oder das Vaterland) oder übertriebener, getragener Pathos bezüglich positiver oder negativer Dinge. Das gefällt mir persönlich überhaupt nicht, weswegen ich mich vermutlich nie wirklich mit chinesischer Gegenwartspopulärmusik anfreunden werde.



Glücklich der, der ein Fahrrad hat

Am Donnerstag gab es in der Mensa nebenan zum Mittag 陕西凉皮 shǎnxī liángpí, kalte Nudeln aus der Provinz Shaanxi, relativ breite Nudeln, kalt angerichtet in einer Sesamsoße (?), mir Gurken und
Lecker Nudeln!
Möhrenstreifen, etwas Tofu und ein bisschen scharfer Soße. Klingt nach einer eigenartigen Kombination, aber es schmeckt verdammt lecker und kostet auch nur 6 Yuan. Danach machten wir uns zu dritt auf in den Norden zur 清华大学 qīnghuá dàxué, eine der universitären Kaderschmieden der Hauptstadt. Ein Cousin von Anna studiert schon einige Jahre an der Uni und kennt in der Umgebung einige Fahrradhändler. An dem Laden angekommen verguckten wir uns dann auch gleich in ein kleines schwarzes Fahrrad, ohne Gangschaltung, mit zu tiefem Sattel, aber mit Gepäckträger und Möglichkeit zum Anbringen eines Korbes. Und mit einer Klingel. Das ganze für je 200 Yuan. Thomas und ich schlugen zu, Anna hatte sich schon vor mehreren Tagen ein Rad zugelegt. Und dann ging es auf unseren Drahteseln zurück zur Renda – Anna fuhr vor uns mit ihrem Cousin auf dem Elektroroller her. Unsere Teilnahme am chinesischen Straßenverkehr ließ mich mich wieder mal ein ganzes Stück weniger fremd und mehr dazugehörig fühlen. Endlich mal nicht mehr das schwächste Glied im Gewirr aus verletzlichen Fußgängern, Kamikazetaxis, oder Bulldozerbussen. Naja, das zweitschwächste Glied zwar immernoch, aber immerhin jetzt mit Klingel und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13 km/h. Schön war es, wenn auch sicher noch weitaus gefährlicher, als als Fußgänger. Nächste Anschaffung: ein Fahrradkorb, eine LAUTERE Klingel und wenn möglich ein längeres Sattelrohr, andernfalls geht das Gefahre ganz schön in die Knie.

Praktisch ist das Rad auch für den Campus, denn sind die Wege zwar verhältnismäßig kurz, macht Radfahren dennoch einfach mehr Spaß, ist gesünder (man ist nicht so lange der schlechten Luft ausgesetzt … ;-) und geht schneller. 


Bin ich schon so sinisiert?

Kurz vor der Uni hielten wir nochmal an, Anna und ich mussten Geld abheben. Vor uns in der Reihe stand eine recht klein gewachsene, mittelalte Frau in einem rosa Flauschpulli, einem Handy in der einen und einem 100 Yuan Schein in der anderen Hand. Als sie an der Reihe war, klickte sie zunächst ein wenig auf dem Automaten herum, las von ihrem Handy lange Zahlen ab, die sie in das Nummernfeld auf dem Automaten eingab. Was auch immer sie machen wollte, es funktionierte nicht. So fragte sie eine in der Nähe stehende Angestellte der Bank of China, wie das denn nun funktioniere. Diese sagte ihr irgendwas, dann kam sie zurück an den Automaten und versuchte es erneut. Währenddessen drehte sie sich zu mir um und fing an, mich auf Chinesisch zu fragen, ob ich denn wüsste, was sie jetzt drücken müsste und wo sie was eingeben sollte um 汇款 huìkuǎn zu machen... ich wusste zunächst nicht, was huìkuǎn sein sollte, aber da sie einen 100 Yuan-Schein in der Hand hielt, war das naheliegendste, dass sie das Geld einzahlen wollte. Ich konnte ihr auch nicht wirklich helfen, versuchte dennoch, die Angaben auf dem Display zu verstehen. Am Ende klappte es doch irgendwie und die Frau wurde angewiesen, ihren Schein in die Maschine zu stecken. Wo sie das tun sollte, wusste sie auch nicht, das konnte ich ihr aber gerade noch zeigen. Was ich an dieser vielleicht eigentlich nicht so spannenden Geschichte schön und auch ein wenig verwunderlich finde, ist, dass die Frau offensichtlich keinen Moment daran zweifelte, dass ich, der augenscheinliche Ausländer, sie verstehen würde und wüsste, wie sie das Geld einzahlen sollte. Mit keiner Silbe lobte sie mein Chinesisch oder fragte mich, woher ich denn käme. Sie ging ganz normal mit mir um, unterstellte mir nicht, dass ich ja eh kein Chinesisch könne und kein Chinese bin und ihr somit wohl eh nicht helfen könne. Nachdem ich ihr geholfen hatte, bedankte sie sich freudig strahlend, auch, als wir draußen an ihr vorbei gingen, sagte sie noch einmal ganz freundlich 谢谢 xièxiè. Etwas besonderes zu sein ist manchmal schön, aber eigentlich ist es viel schöner, wenn man einfach nur als Mensch, als einer von vielen angesehen wird und einem nicht aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes und der vermutlichen ausländischen Herkunft mit einhergehender Muttersprache irgendetwas, sei es positiv oder negativ, unterstellt wird.


Auf dem Campus angekommen kauften wir uns dann noch ein Schloss für 15 Yuan, schlagendes Verkaufsargument war dabei die angepriesene „High Quakity“. 

Quakität statt Quantität.
(zugegeben, dass K ist auf der Tastatur dem L sehr nah.
Trotzdem lustig :-D



Abschied von Frau Drinhausen

Am Freitagmorgen verabschiedeten wir Frau Drinhausen, die mittlerweile wieder in Deutschland ist. Es war eine sehr sehr lustige Zeit mit Ihnen und danke, dass Sie uns Ihre Tochter vorgestellt haben! Bis nächstes Jahr in Leipzig! ! !



Dies und Das

Nach dem Unterricht waren wir drei mit zwei Freundinnen essen, Yan aus Boston und Hyun Su (?) aus Kanada, mit koreanischen Wurzeln. Wir entdeckten eine neue Kantine am Osttor mit einer begeisternden großen Auswahl an vegetarischen Gerichten zu guten Preisen. Danach gönnten wir und noch frisch gepressten Saft, setzten uns vor unser Wohnheim und quatschten. Später bin ich dann nochmal in die Kunstfakultät der Uni gegangen, mit dem Ziel, eine Möglichkeit zu finden, Klavier zu spielen. Ich fand dann auch bald ganz viele Überäume, die meisten tatsächlich mit einem Klavier ausgestattet. Ein Student erzählte mir auf Nachfrage, dass sich meist mehrere Studenten einen Raum teilen, jeder hat einen Schlüssel. Wenn ich Leute finden würde, die ihren Raum mit mir teilen, könnte ich dort üben. Die Frau im Supervision-Raum meinte jedoch, dass sie Leute von außen, also nicht zum Institut zugehörige, nicht spielen lassen würden. Das wollen wir ja mal sehen. Irgendwie gibt es da schon einen Weg ;-)

Zum Abendessen hatte ich mich mit Xian Ying und Xiao Bin, zwei koreanischen Studentinnen aus meinem Kurs, zum Essen verabredet. Wir gingen in ein 麻辣烫 málàtàng Restaurant, ein Restaurant für scharfes chinesisches Fondue. Dort kann man sich am Eingang eine große Plasteschüssel nehmen, in welche man so viele Zutaten packt, wie man möchte. Tofu, Kohl,
麻辣烫
Nudeln, Fisch, Fleisch, Eier, Brokkoli, Surimi, Reiskuchen und so weiter und so fort. Das alles wird dann an der Kasse gewogen, man bezahlt und einige Minuten später kann man sein fertiges Fondue abholen. Wie der Name schon sagt, ist dieses recht scharf, für mich gerade noch akzeptabel. Die chinesischen Küchen kennen verschiedene Schärfegrade, die alle das Gefühl der Schärfe im Mund beschreiben. 麻辣 málà steht dabei für „betäubend scharf“, und das merkt man.Ich merke es immer besonders auf den Lippen, die sich tatsächlich betäubt anfühlen oder so, wie wenn sie eingeschlafen werden (so, wie wenn einem der Fuß einschläft). Während des Essens unterhielten wir uns die ganze Zeit auf Chinesisch, viele über Korea, über unsere Klasse, über China, über mich und die beiden. Ein sehr schöner Abend und zwei sehr sympathische Leute. Und auch cool, dass wir wirklich fast ausschließlich auf Chinesisch gesprochen haben, wenn wir auch gelegentlich ins Englische wechselten, wenn uns mal die Worte fehlten. 

Da geht aber noch was!
Wer die Sonne entdeckt, darf
sich ein Eis kaufen.


"我的奋斗" - 'Mein Kampf' auf Chinesisch, heute
gesehen auf einem Bücherflohmarkt auf dem Campus.
Trägt sicher nicht dazu bei, dass haarsträubend verzerrte
Hitlerimage in China entzerren.




Nächste Woche am 1. Oktober ist Nationalfeiertag und die landesweiten Ferien beginnen, auch die goldene Woche genannt. Während sich ganz China auf Reisen begibt (man hat nur selten 7 Tage in Folge frei, da nutzen das wirklich alle aus), müssen wir hier in Peking bleiben, denn unser Pass ist immer noch bei der Polizeistation, darüber hatte ich euch ja schon erzählt. So werden wir also die goldene Woche in Peking verbringen. Das ist einerseits doof, weil es auch für uns eine der seltenen Gelegenheiten zum Reisen gewesen wäre. Andererseits hat uns Weilin schon eine Freundin von ihm vermittelt, die uns im Laufe der Ferienwoche in einem buddhistischen Tempel herumführen wird (mit besonderer Expertise, ist sie doch selbst praktizierende Buddhistin). Zudem können wir dann auch den 65. Jahrestag der Volksrepublik China hautnah miterleben. Der Plan ist bis jetzt, am 1. Oktober in aller früh auf den Tian'anmen zu fahren, um dort dem Hissen der Nationalflagge und der anderen Dinge, die da eventuell passieren werden, beizuwohnen. Ob sich unser Plan so einfach in die Tat umsetzen lassen wird, steht noch aus. Wenn das nichts wird oder wird in einem Meer aus Schwarz völlig verloren gehen, haben wir immer noch das Feuerwerk, welches, so sagt man, mehrere Stunden andauern kann. Da bin ich ja mal gespannt . . .



Bis dahin



Euer Philipp
























Montag, 22. September 2014

无名章

Wieder sind einige Tage ins Land gegangen und ich melde mich mit einem neuen Eintrag aus Peking zurück.. In den vergangenen Tagen haben wir uns hier vermehrt in der und um die Uni aufgehalten, um verschiedene uni-relevante Dinge zu erledigen und um uns einfach auch mal auszuruhen. Den ganzen Tag Power-Sightseeing und U-Bahn-Hopping strengt nämlich auch an (jaja, wir haben es schon nicht leicht)

Dienstag, 09.09.2014
Heute sollte nun der Tag sein, an dem wir (Thomas und ich) zum International Students Office gehen und nach Einzelzimmern fragen durften. Kalt geduscht (Duschzeiten mit warmen Wasser von 6-9, 11-13, 17-1 in der Nacht, und an diesem Morgen war es leider schon zu spät … oder es gab einfach so kein warmes Wasser, ich kann mich gerade nicht erinnern) erreichten wir das Office und das betreffende daneben liegende zuständige Zimmer, in welchem uns auf die Frage nach Einzelzimmern entgegnet wurde, dass es keine mehr gibt, was natürlich weniger unser Gefallen fand. Es wurde uns aber angeboten, dass wir jeder ein Doppelzimmer mieten könnten, wir müssten dann halt nur die andere Hälfte des Zimmers selbst bezahlen (die eine Hälfte wird uns ja vom Stipendium bezahlt). Das wollten wir uns aber nochmal ganz in Ruhe durch den Kopf gehen lassen..
Später hatten wir Frau Drinhausen getroffen und uns für 12 Uhr mit ihr verabredet, um zu einem nahegelegenen Berg namens 香山xiāngshān, also „duftender Berg“ zu fahren. Nachdem wir drei auf dem Campus zu Mittag gegessen hatten, trafen wir uns also dann um besagte Zeit mit ihr und machten uns auf den Weg. Vier U-Bahnstationen und 15 Bushalte später waren wir auch schon am Ziel – wie Frau Drinhausen später erzählte hätte man früher noch gut 2 Tage für den Weg zum Berg gebraucht …
Chinesische Grundregel beim Fotografieren: Alles ist Motiv,
alles ist Hintergrund, alles ist ein Foto Wert.
Da es Wochentag war, stellte sich der Park am Fuße des Berges für chinesische Verhältnisse fast ausgestorben dar (auf Deutsch würde man sagen: gut besucht). Umso besser für uns, denn so konnten wir tatsächlich in aller Ruhe, ohne Gedränge und Lebhaftigkeit (wie langweilig, würden viele Chinesen denken) den 碧云寺 bìyúnsì, den Tempel der Azurblauen Wolken (chinesische Namen für Tempel, Pagoden oder Pavillons sind einfach episch!) besichtigen. Der Bau des Tempels begann im 14. Jahrhundert in der yuán Dynastie, und wurde bis
General Heng (oben) und
General Ha (rechts) bewachen
jeden buddhistischen
Tempel und schützen vor
Eindringlingen

ins 19. Jahrhundert hinein von verschiedenen Kaisern fortgesetzt. Im Tempel inbegriffen war auch eine 孙中山 sūnzhōngshān Sun Yat-Sen-Gedächtnishalle. Sun Yat-Sen, in China Sun Zhongshan genannt, war ab 1912 vorübergehender Präsident der neugegründeten Republik China (das chinesische Kaiserreich, das zuvor über 2000 Jahre bestand hatte, war damit nicht mehr existent) und Gründer der Nationalen Volkspartei 国民党 Kuomintang. Als Begründer des modernen China geltend ist er der wahrscheinlich einzige Politiker, der sowohl auf Festlandchina als auch in Taiwan offiziell verehrt wird. Wir schlenderten indes immer noch durch die Tempelanlage, hielten
Pflanztag!
hier und dort an, schauten uns um, genossen die Idylle, freuten uns über Schildkröten im Teich und fast schwarze Eichhörnchen mit undefinierbarem Futter im Maul. Auf der Diamantthronpagode, dem höchsten Punkt des Tempels, genossen wir die Aussicht auf Peking oder stellten uns zumindest vor, wie wir sie genießen oder wie man sie zu Kaiserzeiten hätte genießen können, denn so viel sahen wir natürlich aufgrund unser aller
Ausblick
Lieblings, genannt Smog, nicht. Nach dem Abstieg entdeckten wir noch einen kleinen Teich, der von einer Quelle gespeist wurde. Wir setzten uns in die gegenüberliegende Pagode, erzählten abermals viel und verließen dann den Park. Aber nicht, ohne uns vorher alle ein Eis zu kaufen, auf welches wir uns schon die ganze Zeit sehnlichst gefreut hatten (Magnum Tiramisu ...). 


Rrrrrrrr!
Schicksal des Fotografen: Er ist selten auf nem Bild.
Mama, Papa, Ein-Kind
Über sieben Brücken
 
Diebstahl!
Giebelschmuck
Tempelgebäude, die mit gelben Ziegeln
gedeckt sind, sind vom Kaiser in Auftrag gegeben worden
Besucher kaufen Holztafeln oder Bänder, auf die sie Wünsche schreiben,
die dann hoffentlich von buddhistischen Gottheiten erhört werden

Plaudern im Pavillon
Tempel - einige der wenigen
Orte in China ohne Rolltreppen und Fahrstühle











Für den kleinen Mann hier war der Park wohl eher langweilig. Klar,
wenn auch alles verboten ist, was Spaß macht - Schwimmen, Fischen
und Skaten

Auf dem Rückweg entschieden wir uns, einen kurzen Abstecher zur 北京大学 běijīng dàxué, zur Peking-Universität zu machen. Vergleicht man den dortigen Campus mit dem unsrigen, könnte man fast ein bisschen neidisch werden. Aber nur fast. Denn zwar ist der Campus der Beida wesentlich größer als der der Renda und hat zu dem einen großen Park mit See, aber es fühlt sich auch alles weniger familiär und gemütlich an. Dafür sind aber die meisten Gebäude wirklich schick und gut in Schuss, die Straßen breit und es gibt auch einige kleine Ladenstraßen, wie man sie sonst nur im außeruniversitären Stadtbild vermuten würde. In einem Laden kauften wir uns dann was kleines zu Essen für zwischendurch und machten uns auf den Weg zurück nach Hause. Wir ruhten uns dann noch ein bisschen in unseren Zimmern aus und Thomas, Frau Drinhausen und ich gingen noch was zum Abendbrot essen (Anna war schon vom Snack satt). Wir hatten ein Restaurant in der Nähe des Westtores empfohlen bekommen (Küche der westlichsten Provinz Chinas, 新疆 xīnjiāng; traurige Bekanntheit erlangt durch die Konflikte zwischen den muslimischen Uiguren und den angesiedelten Han-Chinesen bzw. der Regierung). Das Restaurant war gut besucht, für wartende Gäste wurden draußen sogar noch einige Tische aufgebaut. So lange wollten wir aber nicht warten und so sauber und lecker sah es in unseren Augen dann doch nicht aus, weswegen wir in das direkt angrenzende Restaurant gingen. Die meisten lecker aussehenden Nudelgerichte waren nicht mehr verfügbar und das was wir dann sonst so bestellten war auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Da gehen wir bestimmt nicht mehr hin ...

Der Cocktail mit Frau Drinhausen im Café neben unserem Wohnheim hat dann den Abend doch noch gerettet (naja, so schlimm war das Essen auch wieder nicht … und so gut der Cocktail auch nicht :-P).


Mittwoch, 10.09.2014
Letzte Woche wurde uns gesagt, dass wir doch heute nochmal zur Turnhalle gehen sollten, um nach möglichen Sportkursen zu fragen. Wie sich jedoch auf Nachfrage in der Jahrhunderthalle (so heißt ja bekanntlich unsere gigantische Sporthalle mit was weiß ich wie vielen kleinen Sporthallen und der einen riesigen in der Mitte, die zugleich als Aula fungiert) herausstellte, konnte man sich dort am Schalter nicht für so etwas wie Sport-AGs oder dergleichen eintragen. Es gibt aber für bestimmte Sportarten reservierte Zeiten in der Turnhalle, zu denen jeder, auch Leute von außerhalb, spielen können. Man muss dann nur für eine bestimmte Zeit ein Feld mieten und genug Leute mitbringen, und dann geht es schon los. Da werden wir uns wohl einfach mal an den Rand stellen und warten bis uns jemand abholt :-P
Nach dem Mittag gingen wir dann wieder mal zum International Students Office um mitzuteilen, dass wir jetzt beide ein Doppelzimmer mieten würden. Dazu mussten wir dann nur die 5580 Yuan bezahlen, auf einmal und in bar. Wir versprachen der Dame, bis Freitag das Geld zusammen zu haben und am Freitag wiederzukommen, bis dahin würde sie dann versuchen, die Zimmer (bzw. das eine, in das ich später einziehen würde, Thomas ist einfach in dem geblieben, in dem wir vorher zu zweit gewohnt hatten) freizuhalten. 
Danach ging es dann gleich in die, wie wir alle drei meinen, sehr ansehnliche Bibliothek unserer Uni, um der Einführungsveranstaltung für alle neuen Auslandsstudenten zu lauschen und wichtige Infos mitzunehmen. In einem großen Hörsaal versammelten wir uns mit insgesamt ca. 120 anderen Studenten – und das war echt nervig: wir beschweren uns ja gern über China, dass hier immer alles und jeder laut ist, aber dass die meisten der anwesenden offensichtlich erwachsenen Menschen fast nach jedem Satz, den die Koordinatoren vom International Office sprachen, in ausschweifendes Geflüster ausbrachen, was bei 120 Leuten mehr als störend ist, stand chinesischer Lautstärke in nichts nach und war zu dem echt unhöflich. Irgendwann sagte dann endlich mal einer aus den ganz hinteren Reihen, die naturgemäß ja am wenigsten verstehen, dass die Leute doch einfach die Klappe halten sollen, wenn jemand anders redet. Dafür gab es komischerweise von fast allen Applaus (sicher auch von denen, die so redselig waren :-P Was etwas unangenehm ist, ist, dass wir jetzt noch einige Zeit auf unsere E-Card warten müssen, mit der Studenten hier Dinge bezahlen können wie Internet oder Mensa. Die ganz typische chinesische Mensa bleibt uns also noch ein Stück lang verschlossen.
Um sieben Uhr trafen wir uns dann wieder mit Frau Drinhausen zum Abendessen. Wir entschieden uns einstimmig dafür, wieder in das Jiaozi-Restaurant zu gehen, in welchem wir schon mit Merle gewesen waren (und in dem Merle auch schon mit Frau Drinhausen war :-D Frau Drinhausen und Anna bestellten eine Sorte mit Fleisch und dann bestellten wir noch drei mit vegetarischer Füllung – vermeintlich! Denn was uns schon mal passiert war, als wir noch mit Stefan um die Häuser gezogen sind, passierte uns auch wieder hier (die Geschichte hatte ich damals aber noch nicht erzählt, also gut, dass es jetzt nochmal passiert ist :-P Die Jiaozi, die wir uns ausgesucht hatten, hießen 素三鲜 sùsānxiān. Das sù heißt einfach 'Gemüse' und das sān bedeutet 'drei'. Soweit alles vegetarisch. Der Punkt liegt im xiān. Xiān kommt in mehreren Wörtern vor, alleine heißt es so viel wie 'frisch', aber auch 'Meeresfrüchte'. In Kombination mit xīn wird daraus 新鲜 xīnxiān, was ebenfalls 'frisch' bedeutet. Aber setzt man ein hǎi, was 'Meer' bedeutet, davor, so hat man 海鲜 hǎixiān, was die eindeutige Bezeichnung für 'Meeresfrüchte' ist. Im Namen der Sorte Jiaozi, die wir uns nun aber ausgesucht hatten, fand sich einfach nur das xiān, so nahmen wir an, es handle sich einfach um 'drei frische Arten von Gemüse' als Füllung. Das dem nicht so war, stellte dann Frau Drinhausen fest, als sie in die Runde fragte, ob das da auf ihrem Stäbchen kleine Shrimps seien. Waren es. Damals, als Thomas, Stefan und ich das herausgefunden hatten, aßen die beiden nicht weiter (wir sind alle drei Vegetarier), ich schon. Vor allem aus dem Grund, da wir die Bedienung vor dem Bestellen lang und breit ausgefragt hatten, welche Jiaozi denn nun vegetarisch seien und ob sie die von uns gewählten 素三鲜 sùsānxiān auch braten könnten. Ich hätte es als unhöflich empfunden, dann den ganzen Teller mit den Jiaozi beinahe unangerührt stehen zu lassen, Stefan und Thomas stimmten dem zu, aber fanden sich dennoch in einem größeren Gewissenskonflikt wieder als ich, und aßen nicht weiter (was ich nicht kritisieren will, jeder (Vegetarier) kann seine Grenzen und Prioritäten ja selbst festlegen). Um ins Jiaozi-Restaurant und zu Frau Drinhausen und Anna zurückzukommen: da wir ja die beiden dabei hatten, war das mit der Höflichkeit in dem Fall kein Problem (essen beide Fleisch). Und Thomas und ich bestellten uns einfach noch eine andere vegetarische Sorte. Was wir daraus lernen können:

  1. 素三鲜 sùsānxiān ist verdammt nochmal eine Jiaozi-Füllung mit kleinen Shrimps (wenn uns das jetzt noch ein drittes Mal entfällt, wird’s peinlich)
  2. Vegetarier ist nicht gleich Vegetarier

Merken!

Donnerstag, 11.09.2014
Heute nun der Tag, an dem das erste Mal offiziell unser Chinesisch auf die Probe gestellt werden sollte: der Placementtest. Also der Test, anhand dessen Ergebnis wir einer Niveaustufe und damit Chinesischklasse zugeteilt werden würden. Kurz vor zwei versammelten sich wieder die meisten neuen Auslandsstudenten vor einigen Prüfungsräumen. Zunächst mussten wir auf 4 Seiten unter Beweise stellen, was wir im Schriftlichen und beim Leseverstehen so drauf haben. Wie zu erwarten, waren da einige Aufgaben für uns lächerlich leicht, andere dagegen so schwer, dass mir vor allem bei der letzten Textaufgabe mehr Spanisch als Chinesisch vorkam (so, wie es also bei solch einem Test sein soll). Für die mündliche Prüfung wurden wir von einer der zahlreich anwesenden Lehrerinnen ein wenig ausgefragt und mussten ein paar kleine Texte verschiedener Niveaustufen vorlesen. Ich hatte meine mündliche Prüfung bei Frau You, die zuvor ein Jahr im Konfuzius-Institut Leipzig (wo ich ja auch studentische Hilfskraft war) als Chinesischlehrerin gearbeitet hat, somit hatte meine Prüfung einen etwas persönlicheren Touch. Frau You prognostizierte, dass ich wohl in einen der beiden höheren mittleren Kurse kommen würde.
Abends waren wir wieder mit Frau Drinhausen in dem Einkaufszentrum gegenüber essen. Im 风光老灶 fēngguāng lǎozào, also im „großartigen alten Küchenherd“, gab es diesmal zwei große Schüsseln (eine vegetarische und eine mit Fleisch) mit allerlei Gemüse, Tofu, Reiskuchen und viel (für unsere Begriffe) Chilli. Und wieder erhielten wir einen 30 Yuan Gutschein. Die kennen uns da jetzt auch schon ganz gut :-)

Freitag, 12.09.2014
Als Thomas und ich nach ein paar Problemen beim Geldabheben (Kreditkartenlimit, maximal am Tag abhebbarer Betrag, etc. pp. - für euch sicher uninteressant) dann schlussendlich doch die 5580 Yuan zusammen hatten, gingen wir wieder ins International Student Office und bekamen dann auch jeder ein eigenes Zimmer, das heißt, Thomas blieb in unserem Zimmer und ich zog einen Stock tiefer. Ich bin jetzt in dem Stockwerk, wo die ganzen Masterstudenten und auch Doktoranden wohnen, also ist es bei mir schön ruhig, im Bad gibt es kein Gedränge und in der Küche steht der Heißwasserspender. Und mein Boden hat 'n tolles Laminatimitat, sieht aus wie Holz, ist aber Plaste, aber macht trotzdem alles wohnlicher :-)
Da wir ja schon beim ISO waren, holten wir auch unsere Gesundheitstests, die nach der Prozedur letzte Woche nun endlich angekommen waren, ab. Meinen damaligen Verdacht, dass diese Tests absolut zum Fenster rausgeworfenes Geld sind (wenn auch notwendigerweise), fand ich darin bestätigt, dass mir beim Punkt „Farbsehtüchtigkeit“ bestätigt wurde, dass alles normal sei. Wer mich kennt, weiß, dass ich farbenblind bin (auf der Ishihara-Tafel habe ich auch was ganz anderes gesehen, als alle anderen..). Naja … Thomas und ich hatten dann keine Lust, noch an der Schlange anzustehen, an der man alle benötigten Dokumente abgeben konnte, um sein 30-Tage X1 Visum in eine permanente Aufenthaltsgenehmigung umwandeln zu lassen, also wir entschieden uns dazu, dass am Montag zu machen.
Zum Abend aßen Anna, Thomas und ich zusammen mit Jindi und 玮璘 wěilín, der zuvor mit Jindi Thomas bei einem Internetproblem geholfen hatte. Natürlich ließ sich Weilin nicht lumpen und ging mit uns in eines der teureren und feineren Restaurants auf dem Campus. Er bestellte natürlich viel zu viel, der Tisch bog sich. Das Essen war sehr gut, und sehr teuer. Und Thomas durfte sich das erste Mal um die Rechnung streiten, so, wie es hier üblich ist. Weil Weilin und Jindi ihm den halben Tag bei seinem Internetproblem geholfen hatten, wollte er das Essen bezahlen. Weilin sah es aber als selbstverständlich an, dass er uns als Gäste aus Deutschland einlädt. Das wollte Thomas aber nicht. So verhandelten beide schon vor dem Essen und auch dann, als es ans Bezahlen ging. Sie einigten sich schließlich darauf, sich die Rechnung zu teilen (da Weilin seinen Doktor macht, erhielt er sogar Rabatt). Das würde man sonst in China eher selten sehen. Am Ende wird meistens nur eine Person alles bezahlen, koste es was es wolle. Dabei kann man in vielen Restaurants ganze Dramen beobachten, es wird viel argumentiert, jeder versucht, der Bedienung als erstes sein Geld in die Hand zu drücken und um Gottes Willen lässt man sich von seinen Gästen kein Geld als Beteiligung an den Essenskosten geben. Ich habe ohne Witz schon Leute handgreiflich werden sehen, wenn es ums Bezahlen ging (war zwar im Spaß, aber hallo? Wer lässt sich bei uns nicht gern einladen :-D Am Ende ist auch das alles ein kleiner Teil des komplizierten und wichtigen Beziehungsgeflechts in China, auf Chinesisch 关系guānxī. Darüber werde ich mich bestimmt nochmal ausführlich äußern.
Wir gingen dann noch in eine nahegelegene Bar, um mit Jindi für ihr bevorstehendes Interview in der Bildungsabteilung der deutschen Botschaft zu üben. Sie möchte nach Deutschland gehen um dort Human Ressource zu studieren. Dazu hatte sie eine zweiseitige Übersicht mitgebracht, auf der alle während ihres Studiums der Public Relations in China belegten Kurse verzeichnet waren, was ganz schön viele waren... Zu diesen Kursen haben wir ihr dann Fragen gestellt und sie konnte auf alles sehr ausführlich antworten. Fand ich unglaublich. So viel Stoff hätte ich glaube ich niemals so ausführlich über die ganzen Jahre hin im Kopf behalten. Für die Beantwortung der Fragen bei der deutschen Botschaft haben wir ihr dann noch ein paar Tipps gegeben, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Bildungsabteilung ihr gestattet, nach Deutschland zu gehen. Hoffen wir, dass es was genützt hat.

Samstag und Sonntag, 13. - 14.09.2014
Am Wochenende haben wir wieder mal nicht viel gemacht :-) Vorrangig gegessen und mit einer neuen Freundin, die in Südchina aufgewachsen ist, aber jetzt in Boston lebt, bei Carrefour gewesen. Dann noch ein bisschen die Umgebung erkundet, es kam ne Tasche an, die ich übers Internet bestellt hatte (meine erste chinesische Bestellung übers Netz auf Chinesisch, und alles hat wunderbar geklappt :-) Samstags habe ich noch bis um zwei Uhr in der Nacht geskypet, erst mit Mutti und Oma, dann mit Sabine, dann kurz mit Papa, und dann nochmal mit Anne. Am Sonntag dann entsprechend lange geschlafen ;-)

Montag, 15.09.2014
Unsere erste Tat an diesem Tag war, dass wir uns wie vorgenommen anstellten, um alle Dokumente abzugeben, die notwendig sind, um die permanente Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Alles lief glatt, bis auf das wir 500 RMB zahlen durften (wovon vorher nie die Rede war) und, was eigentlich das schlimmste ist, unser Pass erst wieder Mitte Oktober da ist. Das ganze dauert also einen ganzen Monat. Das wäre nicht schlimm, wenn nicht in der ersten Oktoberwoche, in der goldenen Woche, an den Nationalfeiertagen, das ganze Land Ferien hat und ich ursprünglich geplant hatte, einen chinesischen Freund in Dalian (östlich von Peking, westlich von Nordkorea) zu besuchen. Ohne Pass bzw. mit einer Kopie dessen kann man zwar eine Zugfahrtkarte kaufen, aber nicht in den Zug einsteigen. Auch hier wäre es schön gewesen, wenn sie uns vorher einfach mal darüber informiert hätten, dass die Umwandlung des Visums so lange dauert, dann hätten wir die Karte einfach gleich in den ersten Tagen kaufen können.
Auf diese Enttäuschung hin gönnten wir uns zwei Teller Jiaozi, um danach gestärkt die Bücher für unseren Chinesischunterricht kaufen zu können. Denn die Ergebnisse des Placementtests waren bekanntgegeben worden und Thomas und ich hatten es in die 中一 zhōngyī geschafft, Anna in die 中二zhōngèr, also beide in die höheren Kurse der Mittelstufe (wie sich bis jetzt herausgestellt hat, scheint der einzige Unterschied zu sein, dass Anna wesentlich weniger Hausaufgaben aufbekommt als wir..). Zu unserem Unterricht sage ich gleich was am Dienstag.
Anna, Thomas und ich waren am Nachmittag dann wieder mit Jindi und Yan (aus Boston) verabredet. Zusammen besuchten wir den 紫竹公园 zǐzhú
Klischee?
gōngyuán, also den Park des Purpurnen (bzw. schwarzen) Bambus. Der Park war nur zwei Haltestellen von der Uni entfernt und riesig. Gut zu wissen, dass wir in direkter Nähe einen solch idyllischen Ort, wo man zwar auch nicht auf dem Rasen liegen kann, aber doch ganz gut entspannen kann, haben. Man kann betagten Herrschaften beim
Singstar
Schachspielen oder Tangotanzen zusehen, mehr oder weniger schön anzuhörenden Sängern oder Musikern lauschen und dabei ganz gut den hektischen Moloch drum herum eine Zeit lang vergessen. Wir schlenderten umher, machten Fotos, staunten über oder ekelten uns vor riesigen Spinnen, nahmen an einem See Platz und aßen ganz leckere kleine Backwaren (das klingt komisch :-D , die Jindi für uns mitgebracht hatte. Alles in allem senkten wir den Altersdurchschnitt im Park erheblich. Auf dem Heimweg, der uns durch die Minderheiten-Uni und die Beijing Foreign Language University führte, wollten wir Yan, die mit Chinesisch
美女!(Yan, Anna, Jindi)
in ihrer Kindheit aufgewachsen ist, aber eher amerikanisches Englisch auf muttersprachlichem Niveau spricht, noch ein bisschen Deutsch beibringen oder ihr zumindest zeigen, wie schwer Deutsch sein kann (weiß nicht mehr, wie wir darauf gekommen sind). Mit den Worten Eichhörnchen und Streichholzschächtelchen klappte das ganz gut. Jindi, die schon etwas mehr Deutsch kann, schlug sich sehr gut, wenngleich Yans Versuche weitaus lustiger waren ;-)


Ab durch den Lotus

Entweder man hat ein Auto oder man hat keins.
Idyllisch
Jindi und Thomas vor Enten



Dienstag- Freitag 16.09. - 19-09.2014
Da wir ab heute jeden Wochentag Unterricht haben, werde ich euch jetzt mal einen Überblick darüber geben, wie der Unterricht so ausschaut.
Der Unterricht beginnt jeden Tag um 8 Uhr. Die erste Stunde geht bis 9:30 Uhr, dann haben wir eine halbe Stunde Pause. Ab 10 Uhr geht es mit der zweiten Stunde bis 11:30 Uhr weiter. Danach ist für uns dann Schluss. Jeder Tag besteht also nur aus 2 Stunden a 90 Minuten. Mein Kurs ist in 5 unterschiedliche Einheiten unterteilt, also 5 Schwerpunkte: 精读 jīngdú Intensives Lesen, 阅读 yuèdú Leseverstehen, 写作 xiězuò Schreiben, 听力 tīnglì Hörverstehen und 口语 kǒuyǔ Umgangssprache. Jeden Tag haben wir 2 verschiedene der 5 Schwerpunktkurse, also am Dienstag zum Beispiel Schreiben und Hörverstehen. Insgesamt haben wir also auch 5 Lehrerinnen. Unsere Intensives-Lesen-Lehrerin ist gleichzeitig so etwas wie unsere Klassenlehrerin und hört auf den wunderschönen Namen 白鸽 báigē, Weiße Taube. Mir ist sie auch am sympathischsten von allen. Unsere Hörverstehens-Lehrerin hat sich den tollen englischen Namen Barbie gegeben, was kein Witz ist. Wir dürfen sie im Unterricht auch einfach mit Barbie anreden, wenn wir das wollen. Und sie will, dass unsere Klasse unser zweites zu Hause wird, wir können sie immer ansprechen, wenn wir Probleme haben oder wir einfach mal sprechen wollen. Eines ihrer größten Hobbys ist 绿色旅游 lǜsè lǚyóu, also so viel wie „grünes Reisen“. Sie hat es so erklärt, dass sie mit anderen Gleichgesinnten raus geht, Müll aufsammelt, die Leute ermahnt, mit Rauchen aufzuhören und die Umwelt nicht zu verschmutzen. Das klingt alles in allem recht verrückt, aber das finde ich eigentlich sehr cool und ich hätte nicht gedacht, dass es sowas in China gibt. Und sympathisch ist sie auch sehr, wie eigentlich alle. Mir ist jedoch aufgefallen, dass sich die Kurse bis jetzt sehr stark ähneln. Jeder Kurs hat ein eigenes Buch mit ähnlichen Übungen, und an das Buch wird sich bis jetzt relativ stark gehalten. Ich sehe bisher wenig Unterschiede in den Unterrichtsmethoden oder in der Art der Hausaufgaben, die wir bekommen. Besonders schade ist das bei Umgangssprache, wo wir kaum frei reden, sondern uns an einzelnen Wendungen aufhalten, Texte lesen, uns Dialoge ausdenken, aufschreiben und dann vortragen müssen. Meiner Meinung nach sollte man, wenn es um das Erlernen des Sprechen im Alltag geht, so wenig wie nötig schreiben und so viel wie möglich frei und spontan sprechen. Genauso, wie man beim Erlernen des Schreibens weniger sprechen sollte, sondern eher Texte lesen, um zu lernen, wie man auf Chinesisch schreibt (Unterschied gesprochene Sprache <-> Schriftsprache) und dann eben auch selber schreiben. Und so weiter... Ich hoffe, dass die Kurse im Laufe der Zeit ihren jeweiligen Bezeichnungen gerechter werden. Und wir lernen für meine Begriffe viel zu viele neue Vokabeln. Die kann ich zwar alle gut für Diktate auswendig lernen, werde sie aber danach höchstwahrscheinlich sehr schnell wieder vergessen. Am besten lernt man neue Dinge, wenn man einen realen Bezug dazu hat. Das ist bei Sprachen genauso wie bei Mathe. Ich habe mir eine Liste gemacht, mit all den Vokabeln, die ich hier so im Alltag lerne, sei es von Freunden im Gespräch oder wenn ich irgendwo was lese. Die kann ich alle und ich kann zu jeder Vokabel sagen, wo und in welchem Zusammenhang ich sie gelernt habe. Und diese Vokabeln werde ich auch so schnell nicht wieder vergessen. Ganz anders als die, die wir uns jeden Tag für irgendwelche Diktate reinprügeln müssen.
Außer das der Unterricht begonnen hat, habe ich in dieser Woche auch endlich Leute zum Badminton spielen gefunden. Weilin hat mich an einen uniinternen Badmintonverein vermittelt. Mittwoch war das erste Training in diesem Semester. Zu meiner Freude war das sogar mit Aufwärmen und allen möglichen Übungen für verschiedene Schläge. Dabei lernte ich viele neue Vokabeln wie 热身 rèshēn Aufwärmung, 平球 píngqiú Drive, 杀球 shāqiú Smash, 掉球 diàoqiú Drop oder 双打shuǎngdǎ Doppel. Nur findet das Training jede Woche von Mittwoch bis Freitag statt. Jedes Mal zwei Stunden. Es macht viel Spaß, aber ist einfach auf einem sehr hohen Niveau und nimmt halt auch Zeit in Anspruch. Ich weiß noch nicht, ob ich bei denen bleibe, denn wie ich schon gesagt habe, werde ich auch mit den Hausaufgaben genug zu tun haben und ich will auch nicht unbedingt auf so professionellem Level spielen. Mal sehen, vielleicht finde ich noch ein paar Freizeitbadmintonspieler.
Am Donnerstag hatte ich die spontane Idee, dass wir drei doch mal zu METRO (Großhandel, aus Deutschland bekannt, in China mit vielen importierten Produkten, wie Schokolade und anderen Leckereien) fahren könnten. Erstens wollte ich mal wieder vom Campus runter (hatten die Woche nicht so viel außerhalb unternommen), zweitens hatte ich nicht unbedingt Lust auf was touristisches und drittens wollten wir alle eh gerne zu METRO. Wir sind dann mit dem Bus hingefahren. Eine Mitgliederkarte konnten wir nicht mehr beantragen, das geht warum auch immer nur vor 17 Uhr. Mit einem kleinen Zettel, der als Ersatzkarte fungierte, konnten wir uns dann aber doch aufmachen ins Land der Glückseligkeit. Westliche Süßigkeiten schmecken einfach besser als chinesische. Und wir haben bei der Gelegenheit gleich geschaut, was man sich kaufen kann, um im Wohnheim auch mal nicht-chinesisch zu kochen (nicht-chinesisch Essen gehen ist einfach sehr teuer und meistens weniger lecker), bräuchten wir dann nur noch n Kühlschrank und ne Kochplatte. Das sind sicher unsere nächsten Anschaffungen. Denn chinesisches Essen ist zwar echt lecker und sehr vielfältig, vermutlich mehr, als deutsches. Aber irgendwann hat man doch auch mal wieder Lust auf anderen Geschmack oder auf bekanntes und geliebtes. Ich finde das nicht schlimm. In Deutschland esse ich ja auch nicht die ganze Zeit deutsch oder westlich. Und das Selberkochen fehlt mir auch einfach sehr. Als wir unseren Einkauf beendet hatten (wir drei insgesamt 700 Yuan …), entschieden wir uns noch spontan dazu, ins „deutsche Restaurant“ nebenan zu gehen. Uhland hieß diese Lokalität. Die Bedienungen liefen entweder im Dirndl rum oder im Deutschlandtrikot (allerdings nur mit drei Sternen, da haben sie wohl was verpasst). Die Atmosphäre war düster, denn das Licht war gedämmt, die Möbel schwer und dunkel. Im Fernseher lief die „Strongmen Championship 2014“. Die Auswahl an Gerichten war natürlich sehr fleischlastig (und es gab auch einige chinesische Gerichte, sogar eine extra Karte für die, die zwar in ein deutsches Restaurant gehen, aber nichts deutsches probieren wollen) und das, weswegen wahrscheinlich die meisten Chinesen da hinkommen, war wohl die Schweinshaxe für umgerechnet mehr als 20 Euro. In Ermangelung vegetarischer Gerichte entschieden sich Thomas und ich für die Penne mit Tomatensoße (also deutscher geht es ja wohl kaum) und Anna für Currywurst mit Pommes. Es fehlte Salz und war für die Größe der Portionen zu teuer. Interessant aber wieder zu sehen, wie gerne sich Chinesen in deutschen Restaurants betrinken, was ja hier ja sonst eher selten in aller Öffentlichkeit zu sehen ist, und wenn, dann nicht mit Bier, sondern mit Schnaps. Zwei Herren an einem Tisch in unserer Nähe hatten schon fertig gegessen, beide hatten ¼ ihrer Maßkrüge ausgetrunken, der eine hatte noch, bevor er aus Klo ging, eine Maß Schwarzbier bestellt … aber bevor wir miterleben konnten, wie die Geschichte ausgeht, haben wir uns auf den Heimweg gemacht.
Am Freitag hatten wir geplant, nachmittags mit Frau Drinhausen zum nahegelegenen Glockentempel zu laufen. Das Laufen war kein Problem, der Tempel war nah. Er war nur nicht offen, da im Umbau befindlich.. Also entschieden wir uns dazu, gleich ins Zentrum zur Wangfujing zu fahren, wo wir am Abend in dem vegetarischen Restaurant essen wollten, in dem in der ersten Woche schon Stefan, Thomas und ich gewesen waren. Vorher tranken wir noch in einem Kaufhaus Kaffee und flanierten auf der Wangfujing, die am Abend mit all den Lichtern und Leuchtreklamen noch ein wenig eindrucksvoller und lebhafter erscheint. Wie immer, wenn wir mit Frau Drinhausen unterwegs sind, führten wir spannende und auch sehr lustige Gespräche. Wir werden sie/Sie vermissen, wenn sie in einer Woche zurück nach Leipzig fliegt!

Samstag, 20.09.2014
Frau Lai hatte uns und diesmal auch Frau Drinhausen (damals war sie ja noch nicht da) wieder zum Mittagessen zu sich eingeladen. Diesmal haben wir uns dagegen entschieden, Ewigkeiten in der U-Bahn zu verbringen und dann nochmal 20 Minuten im Bus und nahmen stattdessen das Taxi. Das kostete uns oder besser gesagt Frau Drinhausen (mal bezahlt die eine, mal der andere, beim Essen wie beim Taxi – die Rechnung aufteilen ist in China einfach nicht üblich und so will man die ganzen Dienstleister und Bedienungen auch nicht warten lassen) nur 56 Yuan und 40 Minuten. Und dafür sahen wir noch was von der Stadt, was ja beim vielen U-Bahn-Fahren leider nicht der Fall ist. Wie auch beim letzten Besuch bei Frau Lai kauften wir vorher noch ein paar Früchte als kleine Aufmerksamkeit. Das Essen war wie erwartet mehr als genug: vier vegetarische Gerichte extra für Thomas und mich, Ente, Fisch, ein Reisgericht, danach noch eine Suppe, dann Obst und Kaffee und ein wenig später noch Pekinger Backspezialitäten (nicht so gut wie Kuchen aus Deutschland, was auch übrigens Frau Lai findet, die ja lange in Deutschland gelebt hat, aber dennoch für chinesisches Süßes ganz lecker). Und natürlich war Liu Bobo fleißig dabei, Bier aufzutischen, uns bei jeder Gelegenheit nachzuschenken und uns allerhand Geschichten zu erzählen, die wir mal mehr, mal weniger verstanden. Frau Lai versuchte ihren Gatten des öfteren auf neckische Art darauf aufmerksam zu machen, dass seine Geschichte für unser Chinesisch doch wohl etwas zu kompliziert seien und er sie einfacher erzählen sollte. Ihre Hinweise stießen bei Liu Bobo jedoch weitestgehend taube Ohren, und so erzählte er uns und Frau Drinhausen, die natürlich um einiges mehr verstand als wir, weiter von Gott und der Welt. Auf eine Sache machte er Thomas und ich aufmerksam, die wir beim nächsten Essen bestimmt bedenken werden: Es gilt als unhöflich, denn Ellenbogen des Armes, in dem man die Stäbchen hält auf dem Tisch aufzusetzen und sich dann das Essen zu nehmen. Bei Frau Lai ginge das, weil wir ja Kollegen und Freunde seien, aber bei anderen Leuten, vor allem bei älteren, sollte man den Ellenbogen anheben, weil man andernfalls ausdrückt, dass einem das Essen egal ist oder nicht schmeckt. Man lernt immer wieder dazu. Und vor allem lernt man, dass chinesische Esskultur immer ein wenig komplizierter ist, als man denkt.

Sonntag, 21.09.2014
Schon letzte Woche hatten Thomas und ich uns mit Weilin verabredet, um gemeinsam das 中国国家博物馆 zhōngguó guójiā bówùguǎn, das Nationalmusem, zu besuchen, welches sich direkt am Tian'anmen befindet. Um zwölf trafen wir uns mit ihm, und er lud uns natürlich zuerst zum Mittagessen in ein nettes Jiaozi-Restaurant in der Nähe ein. Zum ersten Mal aßen wir dort Jiaozi mit einer Füllung aus Möhren und Ei, verdammt lecker!! Weilin erklärte uns auch regionale Unterschiede der chinesischen Jiaozikultur: Im Nordosten Chinas, also auch in Peking, ist das traditionelle Jiaozi-Machen mit der ganzen Familie ein wichtiger Bestandteil größerer gemeinsamer Essen oder der Feierlichkeiten zum Frühlingsfest, auf Chinesisch 包饺子 bāo jiǎozi, also „Jiaozi einpacken“. Im Süden dagegen soll es keine Tradition der häuslichen Jiaozi-Herstellung geben, zudem ist der Teig aus Reismehl und nicht wie im Norden aus Weizenmehl.
Nachdem wir fertig waren, machten wir uns mit der U-Bahn auf den Weg ins Zentrum zum Tian'anmen. Der Eintritt ins Museum ist umsonst, man muss nur irgendein offizielles Ausweisdokument vorzeigen, sei es die chinesische ID-Karte, der Reisepass, der chinesische Studentenausweis, der Behindertenausweis, der Rentnerausweis, Arbeitsausweis, etc. pp. Also nicht umsonst ins Museum reinzukommen, ist äußerst schwer. Thomas und ich zeigten unseren Studentenausweis der Uni, da fühlte ich mich gleichmal viel weniger fremd und viel weniger nicht-chinesisch :-)
Eine Fotoreihe namens "Sleepy China" wär
auch mal interessant ...


Die Ausmaße des Museums als riesig zu bezeichnen, wäre untertrieben. Es ist gigantisch, wie alles, was sich rings um den Tian'anmen ansiedelt. Die Empfangshalle noch höher und weitläufiger, als der Leipziger Hauptbahnhof. 
Rote Lackschatulle aus der Qing
Rolltreppen führen nach oben
Miniterrakottakrieger
und unten in die verschiedenen Ausstellungsbereiche. Weilin führte uns aber nur durch den Bereich der chinesischen Kaiserreiche, also des klassischen Chinas, angefangen bei der Steinzeit und der Xia, Shang und Westlichen Zhou bis zur letzten letzten Dynastie, der Qing-Dynastie. Weilin konnte uns sehr viel interessantes über verschiedene Ausstellungsgegenstände erzählen, und alles auf Chinesisch. Dass wir davon nicht immer alles
Wunderschöne und aufwändig
verzierte Krone
verstanden, versteht sich von selbst. Aber nur so wird man besser und lernt dazu. Eine halbe Stunde, bevor dass Museum schloss, machten wir uns dann auf den Weg zum Abendessen. Dazu mussten wir zwar wieder durch die ganze Stadt mit der U-Bahn bis in den Norden zur Peking-Universität fahren, aber das hat sich auf jeden Fall gelohnt. Weilin ging mit uns in ein vegetarisches Restaurant („kein Ei, kein Fleisch, kein Alkohol, kein Rauchen, kein Geschmacksverstärker“ - so der Werbespruch des Restaurants) , in welchem er vor einiger Zeit mit einem Freund gewesen war. Nach ein paar Problemen beim Wiederfinden des Ortes (wie so oft, wenn man in China was sucht ;-), mussten wir feststellen, dass das Restaurant sehr gut besucht war, obwohl die übliche Abendessenzeit schon vorüber war. Ein gutes Zeichen. Allerdings mussten wir dann noch auf einigen Plastestühlen und an Plastetischen davor warten, bis sich drinnen ein freier Platz finden würde, nachdem andere Gäste gegangen waren. Das Warten auf freie Plätze in guten Restaurants ist in China ein oft zu beobachtendes Phänomen. Vor manchen Restaurants warten einfach nur viele Menschen stehend mit Wartenummern in der Hand, vor manchen Restaurants stehen aber auch gemütliche Sessel oder Sofas, die noch mehr zum Warten einladen. Möglich ist dieses System sicher auch nur dadurch, dass, nicht wie in Deutschland, die Gäste, nachdem sie fertig gegessen haben, meist sofort gehen. Während wir also warteten, tranken wir etwas Tee und Weilin erklärte uns, dass man in China, wenn jemand einem Tee oder Alkohol einschenkt, zweimal mit den Knöcheln auf den Tisch klopft, als Zeichen des Dankes. Das zweimalige Klopfen symbolisiert den chinesischen zweisilbigen Ausdruck für Danke, 谢谢 xièxiè. Mehr als zweimal zu klopfen ist dagegen in jeglichen Situationen eher unangebracht, da es Unzufriedenheit symbolisiert. Was wohl chinesische Professoren denken würden, wenn sie an deutschen Unis eine Vorlesung halten würden …? Als wir dann jedenfalls fertiggewartet und drinnen Platz genommen hatten, machten wir uns ans Auswählen aus den zahlreichen vollständig vegetarischen Gerichten. Wir bestellten zwei Tofugerichte, von denen das eine das berühmte 宫保鸡丁 gōngbǎojīdīng, Palastwächterhühnchen, imitierte und das andere etwas fruchtiger und tomatiger schmeckte. Beides fantastisch. Dann noch ein kaltes Gericht, kalte schwarze Nudeln in Essig und ein bisschen Chilli, auch wunderbar! Zusätzlich gebackenes Schweinefleisch-Imitat (der richtige Name war selbstverständlich weitaus blumiger) süß-sauer, mit Ananas. Und das war mit Abstand das leckerste.... gäbe es in China nur das zu Essen, wäre das auch vollkommen in Ordnung. Und Thomas und ich entschieden uns noch für mit Käse überbackenen Broccoli, mhhhhh, Käääässsseee!! (tatsächlich gab es dort auch vegetarische Spaghetti und Pizza). Wenn auch etwas teuer (Thomas und ich konnten uns diesmal durchsetzen und Weilin musste nichts zahlen ;-), so ist das doch ein Ort, wo wir unbedingt wieder hin müssen und ihr auch hin solltet, wenn ihr Peking seid. Wer die Adresse will, sagt Bescheid.
Während des Essens fragte ich Weilin, was er zu der Ellebogen-nicht-auf-dem-Tisch-Regel von Liu Bobo meinte. Er sagte, dass er diese Regel kenne, aber sie vielleicht eher unter Leuten älterer Jahrgänge verbreitet sei. Eine Regel, die er dagegen als sehr wichtig erachtet, auch unter jungen Chinesen, sei, dass man sich von den Tellern mit den verschiedenen Gerichten in der Mitte des Tisches nur das nimmt, was zu einem zeigt, man greift nicht mit den Stäbchen über den Teller und nimmt sich von der anderen Seite. Nehmen wir also mal an, in der Mitte des Tisches steht ein einziges Gericht, sagen wir mal Tomate mit Ei. Um den Tisch herum sitzen in gleichmäßigen Abständen 4 Leute. Das Tomate-Ei-Gericht in der Mitte des Tisches würde sich also theoretisch in vier Teile aufteilen, jeder darf nur von seinem Viertel etwas zu essen nehmen. Ist der eigene Teil dann leer gegessen, heißt das, dass man von diesem Gericht genug gegessen hat. Nun noch mit den Stäbchen auf einen anderen Teil des Gerichts zuzugreifen, erachtet auch Weilin als sehr unhöflich. Schließlich stehen bei einem normalen chinesischen Essen so viele Gerichte auf dem Tisch, dass wirklich niemand Angst haben muss, zu verhungern. Wieder was gelernt, und offensichtlich sogar etwas, worauf man sehr achten sollten, wenn man nicht als ungehobelter Grobian gelten will :-P


Ich hoffe, dass sich meine Srehciefblher in diesem Beitrag in Grenzen halten. Der letzte Eintrag war einfach unter viel Stress entstanden und wenn man dann einmal so einen Text fertig hat und ihn versucht, unter allerlei Problemen mit dem Internet und VPN hochzuladen, hat man keine Lust mehr, nochmal alles auf Rechtschreibung durchzulesen. Bin ja auch nicht zum Blogschreiben hier :-P

Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, zu meinem Leben hier, wenn ihr über etwas Chinaspezifisches genauer Bescheid wissen wollt, dann schreibt es gerne in die Kommentare, dann kann ich auch mal einen Beitrag machen, wo ich versuche, all eure Fragen zu beantworten. So einfach könnt ihr nie mehr was über China erfahren ;-)


 
Wenn es das Klima erlaubt (was es jetzt wohl immer weniger tun wird), gehen in den kleinen Parks auf dem Campus die Luftbefeuchtungsanlagen an.